Ankündigung
Ein andermal sagte
Jesus zu ihnen: Ich gehe fort, und ihr werdet mich suchen, und ihr werdet in
eurer Sünde sterben. Wohin ich gehe, dorthin könnt ihr nicht gelangen.[1]
Da war so viel Aufbruchsstimmung gewesen. Sicher, wir
mussten uns vor der Obrigkeit verstecken und um unser Leben fürchten. Wie wenig
doch genügt, die Herren, die die Macht in Händen halten nervös zu machen. Mit
Gewalt würden sie sie verteidigen, doch wir waren zuversichtlich. Wenn Er uns
leitete und uns Mut machte, dann würden immer mehr und mehr Menschen angesteckt
werden, und was wollten die Mächtigen dann noch gegen uns ausrichten. Würden
sie uns alle töten? Nein, das würden sie nicht wagen. Wir waren zu viele.
Vielleicht würden sogar der eine oder andere von ihnen auf unsere Seite
wechseln. Nicht alle sind verblendet. Es gibt auch unter ihnen welche, die es
gut meinen mit den Menschen, die nachdenken über ihre Taten und die Richtung
wechseln, wenn es notwendig ist, weil es das Richtige ist. Aber wir waren
bereit. Nach der langen Zeit, die wir im Dunkeln herumirrten, da war Er
gekommen, hatte uns verheißen, dass das Leben besser würde, dass wir uns nicht
mehr unterwerfen müssten. Er versprach uns das Leben in Fülle, und wir
vertrauen uns Ihm an. Egal wohin Er gegangen wäre, wir wären an Seiner Seite
geblieben, denn es gab kein Zurück mehr, wenn man einmal die Freiheit erlebt
hatte, wenn man sah, dass es auch anders gehen konnte. Wir hatten uns Ich
anvertraut, und waren überzeugt, Er würde uns nicht enttäuschen, uns nicht im
Stich lassen. Niemand von uns hatte je solch einen Zusammenschluss unter freien
Menschen erlebt. Es war ein völlig neues Lebensgefühl, als wären wir neu
geboren worden. Die Welt, alles erschien uns neu und unberührt. Nichts konnte
uns passieren. Wir fühlten uns stark und unbesiegbar, doch nur mit Ihm, der uns
leitete und führte. So hatten wir uns um Ihn versammelt zu jener Stunde. Ich
stand ein wenig abseits, am Rande der Gruppe. Wir warteten darauf, dass Er zu
uns sprach, uns weiterhin Mut machte, doch dann kündigte Er es uns an, dass Er
fort ginge. Zuerst verstand ich nicht richtig. Er war schon öfter fortgegangen,
hatte sich zurückgezogen, und jedes Mal kehrte Er zurück, doch diesmal war es
anders. Er meinte, wir würden Ihn nicht finden, wenn wir Ihn suchten, wir
würden Ihn nicht erreichen können. Es klang so endgültig. Sterben würden wir in
unserer Sünde. Wie konnte Er nur? War es das gewesen, nach all den Entbehrungen
und all den Anfeindungen, die wir um Seinetwillen erlitten hatten, würde Er
einfach so weggehen, und uns alleine lassen, ganz ohne Aussicht. Er hatte uns
vorgegaukelt, dass es anders werden würde, und dann würde Er uns verlassen,
einfach so. Konnte das denn sein? Hatte ich das wirklich gehört, oder hatten
mich meine Ohren getäuscht? War es derselbe, der uns aus unserem Elend geholt
hatte, der dem Sünder verzieh und wieder mit hinein nahm in die Begegnung? War
es derselbe, der in Seiner Liebe und Zuwendung so bedingungslos und ohne
Vorurteile gewesen war? War das der Mensch, den wir kannten? Und ich verstand
die Worte, aber nicht den Sinn. Ich verstand die Botschaft, aber nicht die
Bestimmung. Er hatte uns alle hinters Licht geführt, hatte uns was vorgespielt,
um uns dann nur noch tiefer ins Elend zu stürzen? Enttäuscht wendete ich mich
ab. Niemals wieder würde ich jemandem vertrauen, der mir etwas Besseres
versprach. Niemals wieder würde ich mich so in die Irre führen lassen, niemals
mehr täuschen lassen, schwor ich mir. Wie konnte ich nur so dumm gewesen sein,
mich auf den einzulassen? Ich senkte mein Haupt und verhüllte es, denn ich
schämte mich vor der Welt. Und ich hatte den Platz schon fast verlassen, da hob
ich die Augen nochmals und ich fand in fremde Augen. Bist Du Dir sicher, dass
Du richtig handelst? schien sie mir zu sagen. Doch ich vermochte nicht zu
antworten. Hatte ich vorschnell geurteilt?
[1] Joh. 8,21. Aus: Die Bibel in der
Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Hg. von Interdiözesanen
Katechetischen Fonds. Verlag Österreichisches Katholisches Bibelwerk Korneuburg
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen