2603 FastEndZeit (Teil 37):


Ich war dabei


Jesus erwiderte ihnen: Amen, amen, ich sage euch: Noch ehe Abraham wurde, bin ich. Da hoben sie Steine um sie auf ihn zu werfen. Jesus aber verbarg sich und verließ den Tempel.[1]

Ich blieb in der Nähe, doch am Rande. Würde Er es denn wirklich machen, uns einfach so verlassen? Doch ich dachte, wenn ich schon hier war, so wollte ich es auch bis zum Ende aushalten. Was sollte es bedeuten, dass Er wohin ginge, wo wir Ihm nicht folgen konnten? Vielleicht war es ja gar nicht, dass Er nicht wollte, dass wir Ihm folgten, sondern es war vielmehr, weil wir es nicht sollten, weil der Weg zu gefährlich und abgründig war. Wollte ich denn wirklich so schnell aufgeben? Du hättest es getan, aber Du hattest auch keine Ahnung. Du warst zwar auch hier gewesen, aber Du hattest Dich nicht rühren lassen. Der Panzer, den Du um Dich, Dein Leben, Dein Herz und Deine Gedanken gelegt hattest, er war viel zu dick, als dass Dich irgendetwas erreichen konnte. Du hast den Blick nicht gehoben, die Ohren nicht geöffnet. Doch ich, ich hatte den Blick gehoben und Ihm in die Augen gesehen, hatte meine Ohren geöffnet und Sein Wort erfasst. Und Er war der, von dem es hieß, Er ist der, der da ist, der nicht im Sturm erscheint, nicht im Feuer und nicht im Beben, sondern in der Stimme verschwebenden Schweigens, das mich durchfuhr dennoch, wie ein Blitz und mich trug und ummantelte, der, der mich führt, wenn ich durch finstere Schlucht wandern muss. Es muss etwas anderes bedeutet haben. Denn er stellte sich der Gefahr und den Mächtigen, denen Er im Wege stand. Vielleicht war es noch nicht an der Zeit zu begreifen. Vielleicht war es einfach noch die Zeit zu sehen, denn wenn es stimmte, dass Er nicht mehr lange unter uns weilen würde, wenn Er uns verlassen musste, dann war es nicht nach Seinem Willen, sondern weil Er uns einen Weg vorausgehen musste, den wir noch nicht zu sehen, nicht zu verstehen vermochten. Er sagte, Er würde weggehen, aber Er sagte nicht, dass Er uns verlassen würde. Das war nur das, was wir uns in unseren kleinen, begrenzten Menschengehirnen zusammengereimt hatten. Er würde gehen, aber wenn für Gott nichts unmöglich ist, so auch nicht, dass Er ging und trotzdem bei uns blieb. Wie auch immer Er es anstellen würde, Er würde uns nicht verlassen. Er war das Unbegreifliche in unserem Leben. Das Leben selbst, lebendig und authentisch, das Sein und die Liebe, aus der alles erwachsen war, was ward, und Er war bevor Abraham war. So sagte Er. Was für ein Affront! Was für eine Gotteslästerung, in den Augen der Gesetzestreuen, der Hüter und Tüftler, die uns Bürde um Bürde aufluden, zu sehen, wann wir unter der Last ihrer selbstfabrizierten Gesetze zusammenbrechen würden. Hatten wir denn wirklich so gänzlich verlernt selbst zu verstehen, dass wir bei jeder Kleinigkeit zu denen rennen mussten, dass sie es uns erklärten, das Leben in all seinen Geheinissen? Hatten wir denn wirklich so gänzlich darauf vergessen, dass das Wort uns geschenkt wurde, damit wir in Freiheit lebten, und nicht, damit es uns unterdrückt? Nur wenn es pervertiert wurde, so wie es die sog. „Schriftgelehrten“ taten, war es tödlich, aber aus sich, war es lebens-, begegnungsspendend. Und Er stellte sich ihren Angriffen, ohne zu weichen, und weil es keine Worte mehr gab, die sie gegen Ihn anbringen konnten, griffen sie zu den Steinen. Mit Gewalt wollten sie Ihm den Mund verbieten, doch ich hatte Seine Augen gesehen und Sein Wort erfüllte mich. Er würde gehen, weil ihr es auf euch laden würdet, die Guten und Rechtschaffenen, aber Sein Wort würden sie nicht mehr unterdrücken können, denn einmal ausgesprochen, kann es nicht mehr vergehen. Es hatte Raum erobert in unseren Herzen, in unserem Leben, und würde uns nie wieder loslassen, auch wenn Er von uns ging. Es gab kein Zurück mehr. Und so wurde der Groll auf Ihn nur umso größer, und wir wichen nicht mehr von Seiner Seite.


[1] Joh. 8,58f. Aus: Die Bibel in der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Hg. von Interdiözesanen Katechetischen Fonds. Verlag Österreichisches Katholisches Bibelwerk Korneuburg

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