Menge wie Ebbe und Flut
Dann ging Jesus wieder
weg auf die andere Seite des Jordan, an den Ort, wo Johannes zuerst getauft
hatte; und dort blieb er.[1]
Man meint, dass sich große Massen nicht leicht bewegen
lassen. Man meint, wenn sie einmal in eine Richtung gehen ist es schwer ihre
Richtung wieder zu ändern. Mag sein, aber stimmt das unbedingt? Als Jesus
zurückkehrte, gestärkt durch die Zeit der Reife, der Prüfung und der Erziehung
aus der Wüste, gezeichnet durch den Versucher, dem Er widerstanden hatte, da
wirkte Er Wunder. Die Menschen sahen es. Sie liefen Ihm zu. In Massen liefen
sie Ihm zu. Wenn Er schon das bewirken konnte, so waren sie immer mehr
überzeugt, so würde Er auch ihr politisches Los ändern. Von Befreiung träumten
sie, Befreiung von der drückenden Macht der politischen Verhältnisse. Denn wer
Tote zum Leben erwecken kann, der vermag auch das. So wogte die Menge auf Seine
Seite. Wären da nicht diese spitzen Bemerkungen dazwischen gewesen, diese
Bemerkungen gegenüber den Schriftgelehrten und Pharisäern. Wäre da nicht die
Sache gewesen, dass Er bereit war sich mit dubiosen Gestalten einzulassen, wie
der Hure oder dem Zöllner. Das irritierte die Menge ein wenig, aber das waren
Kleinigkeiten, wenn man bedenkt, was Er zu bewirken vermag. Und so lange sie in
der Menge standen, konnte ihnen auch nicht viel passieren, denn die Menge
schützt einen. Es ist schwierig eine Menge anzugreifen. Einen alleine, das ist
etwas anderes, aber viele, das ist nicht leicht. Deshalb rotten sich die
Menschen immer in Herden zusammen, wie die Schafe, wogen mit dieser Herde mit,
mal in die eine, mal in die andere Richtung, so lange es nur halbwegs plausibel
erscheint, dass sie sich mitwogen lassen. Und es ist so einfach die Masse der
Menschen zufrieden zu stellen. Zumeist genügen Versprechungen. Sie müssen gar nicht
konkret sein. Es ist sogar besser, wenn sie nicht konkret sind. Bloße
Andeutungen, einer besseren Zukunft, und jeder stellt sich vor, für sich
selbst, was das bedeuten könnte, und schon sind sie mit dabei. Und das Geschrei
derer, die meinen, dass die Versprechungen nicht eingelöst werden, die gehen
unter, in der Masse. Seit Jahrtausenden lassen sich die Menschen mit vagen
Versprechungen verführen, vage und inhaltslos, weil sie es glauben wollen, doch
Er war einer, der irritierte. Er gab keine Versprechungen, die Er nicht
einlöste. In Ihm selbst war das Versprechen, doch die Vorstellungen, die in den
Köpfen wohnten, waren andere. Er hatte wohl versucht sie richtig zu stellen,
doch das Verstörende in seiner Botschaft, das wollten sie dann doch nicht hören.
Wie einem Zauberer folgten sie Ihm, der Seine Tricks vorführt, doch dass es
mehr war als das, das hörten die meisten nicht mehr. Immer wieder steht der
volle Bauch und das geruhsame Leben im Vordergrund. Sie brauchen die Freiheit
nicht, weil sie sie gar nicht nutzen. Wir verlangen Gedankenfreiheit, aber wir
denken nicht, sondern lassen uns zuschütten von Nichtig- und Belanglosigkeiten,
lassen uns ablenken, weil es so viel einfacher ist. Nichts hat sich geändert.
Die Menge wogte Ihm entgegen. Sie verlangten einen Messias. Er sagte, Er sei
es. Sie wollten einen politischen Messias. Er sagte, Er sei es nicht. Stärke
aus der Schwäche, Übermacht in der Ohnmacht. Sie verstanden nicht. Und die
Menge wogte in die andere Richtung, gegen Ihn, so wie sie kurz zuvor für Ihn
wogten. Es ist so unsagbar leicht die Menschen zu manipulieren, weil sie sich
so gerne anschließen, einer Meinung, einer Gesinnung, Hauptsache, man steht in
der Mitte, kuschelig warm und behütet. Dann stimmt es sogar, dass sie gar nicht
wissen worum es geht. Und Jesus zog sich zurück, entzog sich ihrem Zugriff,
doch es gab auch die, bei denen die Botschaft angekommen war. Das Wort, das Er
war.
[1] Joh. 10,40. Aus: Die Bibel in der
Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Hg. von Interdiözesanen
Katechetischen Fonds. Verlag Österreichisches Katholisches Bibelwerk Korneuburg
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