2903 FastEndZeit (Teil 40):


Rückzug

Jesus bewegte sich von nun an nicht mehr öffentlich unter den Juden, sondern zog sich von dort in die Gegend nahe der Wüste zurück, an einen Ort namens Efraim. Dort blieb er mit seinen Jüngern.[1]

Nur Er und seine Vertrauten. Alleine in der Wüste. Von dort war Er ausgegangen. Dorthin kehrte Er zurück. In der Stille, in der Zurückgezogenheit fand Er Kraft. Es galt so vieles zu überdenken, und doch wusste Er, der Weg war vorgezeichnet. Bald schon würde Er zurückkehren, unter die Menschen. Doch es war mehr als das. Es war nicht die Ruhe des Weisen, der sich stärkte, unbehelligt. Sie trachteten Ihm nach dem Leben. Er war unbotmäßig gewesen. Sie würden es Ihm nicht verzeihen. Sie konnten es Ihm nicht verzeihen. Der Mächtige hat seine Macht, weil es Ihm gelingt das Volk nieder zu drücken, doch das Volk lauert, wartet auf Zeichen der Schwäche, die es ausnutzen könnte, um sich zu erheben und Ihm die Macht wegzunehmen. Macht ist nicht für immer. Sie muss erobert werden, doch dann kann sich der Machthaber nicht einfach zurücklehnen und genießen, was er erobert hat. Er muss immer damit rechnen, dass ein anderer ähnliche Ambitionen hat. Hat er seinen Vorgänger ermordet, so ist nicht gesagt, dass ihm nicht das gleiche Schicksal droht. Immer wieder muss er seine Stärke unter Beweis stellen und Exempel statuieren. Vielleicht ist es einfach nur ein symbolischer Akt, doch er signalisiert den Menschen, dass er es sich nicht gefallen lässt, Aufbegehren gegen ihn. Und schon gar nicht von so einem kleinen, dahergelaufenen Zimmermann. Er bringt doch die Strukturen durcheinander, wenn Er die Händler aus dem Tempel wirft, wenn Er zeigt, dass die Pharisäer und Schriftgelehrten Heuchler sind. Dagegen muss eingeschritten werden. So muss Jesus um Sein Leben bangen. Er weiß es. Er durchschaut die Strukturen und die Ambitionen, die dahinter stecken. Der Mensch ist so einfach zu durchschauen. Was ihm gefällt, das will er haben. Was er hat, will er behalten. Da darf keiner kommen und das einfach vernichten. Mit allen Mitteln wird er dagegen vorgehen, mit all seiner Kraft die Pfründe verteidigen, so unrechtmäßig dieses Eigentum auch sein mag. Schlaft, ihr Massen, schlaft euer Leben weiter, und alles ist gut. Doch Er, Er hatte die Kraft und den Mut sie aufzuwecken, wachzurütteln und ihnen zu zeigen, dass es auch anders sein könnte. Noch waren sie verunsichert, doch es musste verhindert werden, dass sie ganz erwachten, dass sie sich ihrer Kraft und ihrer Möglichkeiten bewusst wurden. Sie sollten sein wie die Kinder, die ein Spielzeug bekommen uns sich damit beschäftigen. Sie sollen nicht aufblicken, nicht sehen. Doch Er forderte sie dazu auf. Es arbeiteten zwei widerstreitende Kräfte gegeneinander, die keinen Konsens finden konnten. So musste sich Jesus vor ihnen verstecken, in der Wüste, die zwar Gefahren bot, aber weit nicht so viele wie die Schergen, die im Schatten des Mächtigen gut lebten. Er musst fliehen, weil Er die Menschen zu sich selbst befreien wollte, weil Er ihnen einen Weg wies, der anders war, als der bisherige. Umsturz. Systemwandel. Weder Herr noch Knecht. Der Traum von der egalitären Gesellschaft. Weder Oben noch Unten. Alle Menschen gleich an Wert und Würde. Das durfte man nicht zulassen. Alles würde untergehen. Die schönen Strukturen zusammenbrechen. Das war der Grund, warum Jesus fliehen musste und um Sein Leben bangte. Sie fanden Ihn nicht. Es war noch nicht Seine Zeit. Noch war es die Vorbereitung auf den eigentlichen Umsturz, der erst kommen musste. Unausweichlich. Das kleinste Geräusch ließ Ihn aufschrecken. Überall lauerte Gefahr, bis zu dem Moment, da Er sich dieser stellte.


[1] Joh. 11,54. Aus: Die Bibel in der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Hg. von Interdiözesanen Katechetischen Fonds. Verlag Österreichisches Katholisches Bibelwerk Korneuburg

Keine Kommentare: