Und sie empfingen Ihn wie einen König
Am Tag darauf hörte
die Volksmenge, die sich zum Fest eingefunden hatte, Jesus komme nach
Jerusalem. Da nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen, und
riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König
Israels![1]
War es denn nicht gerade eben noch so gewesen, dass sie Ihm
nach dem Leben trachteten? War es nicht gerade eben noch so gewesen, dass sie
bereit gewesen Ihn zu meucheln? Aber was schert die Menge das gerade eben. Es
gilt ein Fest zu feiern, einzutauchen in den Taumel der Sinne, und sei es nur
für diese kurze Zeitspanne von Versinken bis zum Auftauchen, doch das wollten
sie genießen. Wenn sie Ihm einen Empfang bereiten würden wie einem König, dann
würde Er sich auch wie ein solcher verhalten müssen. Er würde die Römer
vertreiben und selbst den irdischen Thron einnehmen. Sie empfingen Ihn wie
einen König, weil sie einen König wollten. Einen wie Salomon. Einen wie David,
doch aus ihren Reihen. Die Soldaten würden das Land verlassen. Wie das
geschehen sollte, nun, das war ihnen egal. Das war das Problem des Königs.
Eifrig und eilfertig versicherten sie sich seiner Huld. Im vorauseilenden
Gehorsam, warfen sie sich vor Ihm in den Staub. Wenn es denn wirklich sein
sollte, dass Er ihr neuer König sein würde, dann hätte man schon mal
vorgesorgt, sich auf die richtige Seite gestellt. Es ist immer wichtig auf der
richtigen Seite zu stehen, wenn es darauf ankommt. So kann man später sagen,
man sei von Anfang an dabei gewesen. Mit großen Jubel und Trara empfingen sie
Ihn. Palmzweige breiteten sie auf einen Weg. Ein Empfang, ja wahrlich, eines
Königs würdig. „Hosanna!“, riefen sie Ihm zu, denn sie trauten es Ihm zu,
dieses „Hilf doch!“. Ihre Gedanken waren nicht die Seinen und Ihre Vorstellung
von Hilfe war nicht die Seine, aber Er zog ein in Jerusalem, zum
Paschafest, umjubelt und gefeiert.
Niemals hatte Er gesagt, er wäre ein politischer Befreier. Niemals hatte Er
behauptet, Er würde die römische Besatzungsmacht in die Flucht schlagen. Alles
was Er wollte, war die Menschen herauszuführen aus der Namenlosigkeit in die
Namhaftigkeit. Er wollte sie befreien zu sich selbst, zu dem, was sie von allem
Anfang an waren – Angesprochene dessen, der sie ins Leben rief, freie, der
Liebe zugängliche Menschen. Politik war nicht Seine Sache. Macht war nicht
Seine Sache, aber das Mit- und Füreinander. Seine Botschaft war Zuwendung,
ungeachtet der Person oder des Standes, des Geschlechts oder des Verdienstes.
Was spielte es auch für eine Rolle? Bewährung heißt Leben, und Leben heißt
Bewährung. Doch egal wie oft wir fallen, Er wird immer da sein uns die Hand zu
reichen und wieder aufzuhelfen. Im Wege stehen wir uns immer nur selbst, wenn
wir die Hand, die uns dargereicht wird, nicht ergreifen, wenn wir stur und
unzugänglich bleiben und nicht sehen wo Hilfe wirklich not tut. Veränderungen
geschehen aus diesem Miteinander heraus, nachhaltige, tragfähige, fundamentale
Veränderungen, die uns dem Leben hin öffnen. Und die Menge wogte, hin zu ihm,
und was die Woge trug war eine selbsterdachte Illusion. Während die Schergen
der Macht im Hintergrund scharrten und auf ihren Einsatz warteten. Sie wussten,
dass die Menge wogt, einmal hin und ganz schnell wieder zurück. Sie will keine
Unannehmlichkeiten. Was zählt ist das Greifbare. Noch riefen sie es Ihm zu,
„Hosanna! Hilf doch!“, und bald schon würden sie in die andere Richtung wogen,
sich abwenden von Ihm, ja Ihn anspucken und verspotten, den, den sie gerade
noch wie einen König empfangen hatten und zujubelten. Und ich stand am Rande.
Wogte nicht mit, schrie nicht mit, denn ich hatte verstanden, und das Herz
wurde mir schwer, denn ich wusste wie schnell solch ein Jubel in Zorn und Wut
wechseln konnte. Ich stand am Rande.
[1] Joh. 12,12f. Aus: Die Bibel in der
Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Hg. von Interdiözesanen
Katechetischen Fonds. Verlag Österreichisches Katholisches Bibelwerk Korneuburg
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