3103 EndZeit (Teil 2):


Und sie empfingen Ihn wie einen König


Am Tag darauf hörte die Volksmenge, die sich zum Fest eingefunden hatte, Jesus komme nach Jerusalem. Da nahmen sie Palmzweige, zogen hinaus, um ihn zu empfangen, und riefen: Hosanna! Gesegnet sei er, der kommt im Namen des Herrn, der König Israels![1]

War es denn nicht gerade eben noch so gewesen, dass sie Ihm nach dem Leben trachteten? War es nicht gerade eben noch so gewesen, dass sie bereit gewesen Ihn zu meucheln? Aber was schert die Menge das gerade eben. Es gilt ein Fest zu feiern, einzutauchen in den Taumel der Sinne, und sei es nur für diese kurze Zeitspanne von Versinken bis zum Auftauchen, doch das wollten sie genießen. Wenn sie Ihm einen Empfang bereiten würden wie einem König, dann würde Er sich auch wie ein solcher verhalten müssen. Er würde die Römer vertreiben und selbst den irdischen Thron einnehmen. Sie empfingen Ihn wie einen König, weil sie einen König wollten. Einen wie Salomon. Einen wie David, doch aus ihren Reihen. Die Soldaten würden das Land verlassen. Wie das geschehen sollte, nun, das war ihnen egal. Das war das Problem des Königs. Eifrig und eilfertig versicherten sie sich seiner Huld. Im vorauseilenden Gehorsam, warfen sie sich vor Ihm in den Staub. Wenn es denn wirklich sein sollte, dass Er ihr neuer König sein würde, dann hätte man schon mal vorgesorgt, sich auf die richtige Seite gestellt. Es ist immer wichtig auf der richtigen Seite zu stehen, wenn es darauf ankommt. So kann man später sagen, man sei von Anfang an dabei gewesen. Mit großen Jubel und Trara empfingen sie Ihn. Palmzweige breiteten sie auf einen Weg. Ein Empfang, ja wahrlich, eines Königs würdig. „Hosanna!“, riefen sie Ihm zu, denn sie trauten es Ihm zu, dieses „Hilf doch!“. Ihre Gedanken waren nicht die Seinen und Ihre Vorstellung von Hilfe war nicht die Seine, aber Er zog ein in Jerusalem, zum Paschafest,  umjubelt und gefeiert. Niemals hatte Er gesagt, er wäre ein politischer Befreier. Niemals hatte Er behauptet, Er würde die römische Besatzungsmacht in die Flucht schlagen. Alles was Er wollte, war die Menschen herauszuführen aus der Namenlosigkeit in die Namhaftigkeit. Er wollte sie befreien zu sich selbst, zu dem, was sie von allem Anfang an waren – Angesprochene dessen, der sie ins Leben rief, freie, der Liebe zugängliche Menschen. Politik war nicht Seine Sache. Macht war nicht Seine Sache, aber das Mit- und Füreinander. Seine Botschaft war Zuwendung, ungeachtet der Person oder des Standes, des Geschlechts oder des Verdienstes. Was spielte es auch für eine Rolle? Bewährung heißt Leben, und Leben heißt Bewährung. Doch egal wie oft wir fallen, Er wird immer da sein uns die Hand zu reichen und wieder aufzuhelfen. Im Wege stehen wir uns immer nur selbst, wenn wir die Hand, die uns dargereicht wird, nicht ergreifen, wenn wir stur und unzugänglich bleiben und nicht sehen wo Hilfe wirklich not tut. Veränderungen geschehen aus diesem Miteinander heraus, nachhaltige, tragfähige, fundamentale Veränderungen, die uns dem Leben hin öffnen. Und die Menge wogte, hin zu ihm, und was die Woge trug war eine selbsterdachte Illusion. Während die Schergen der Macht im Hintergrund scharrten und auf ihren Einsatz warteten. Sie wussten, dass die Menge wogt, einmal hin und ganz schnell wieder zurück. Sie will keine Unannehmlichkeiten. Was zählt ist das Greifbare. Noch riefen sie es Ihm zu, „Hosanna! Hilf doch!“, und bald schon würden sie in die andere Richtung wogen, sich abwenden von Ihm, ja Ihn anspucken und verspotten, den, den sie gerade noch wie einen König empfangen hatten und zujubelten. Und ich stand am Rande. Wogte nicht mit, schrie nicht mit, denn ich hatte verstanden, und das Herz wurde mir schwer, denn ich wusste wie schnell solch ein Jubel in Zorn und Wut wechseln konnte. Ich stand am Rande.


[1] Joh. 12,12f. Aus: Die Bibel in der Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Hg. von Interdiözesanen Katechetischen Fonds. Verlag Österreichisches Katholisches Bibelwerk Korneuburg

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