Die Fußwaschung
Jesus, der wußte, daß
ihm der Vater alles in die Hand gegeben hatte und daß er von Gott gekommen war
und zu Gott zurückkehrte, stand vom Mahl auf, legte sein Gewand ab und
umgürtete sich mit einem Leinentuch. Dann goß er Wasser in eine Schüssel und
begann, den Jüngern die Füße zu waschen und mit dem Leinentuch abzutrocknen,
mit dem er umgürtet war.[1]
Miteinander hatten wir gegessen. Vor unseren Augen hatte Er
das Brot gebrochen und mit uns geteilt, hatte einen Schluck aus dem Kelch
genommen und ihn an uns weitergereicht. Wir hatten eine Mahlgemeinschaft begründet. Er hatte das
Wort. Er war das Wort. Von Ihm ging alles aus, und doch trug Er uns auf, dass
wir dies hinaustragen in die Welt, Mahlgemeinschaft halten in Seinem Sinne, so
wie Er es uns gezeigt hatte, ja wie Er uns unterwies. „Zu meinem Gedächtnis“
sollten wir es tun, hatte Er gesagt. Aber was meinte Er damit? Man konnte doch
jemanden nur im Gedächtnis behalten, wenn Er nicht da war. Er war doch da und
wir meinten Er bliebe noch lange. Da waren noch so viele offene Fragen, so
viele Unsicherheiten, die es zu klären galt. Endlich hatten wir wieder Mut
gefasst, weil Er uns Mut machte, weil Er uns gezeigt hatte wie der rechte Weg
aussah, doch wir standen erst am Anfang. Er konnte, Er durfte uns jetzt nicht
verlassen. Gerade eben erst hatte Er
eine ganz besondere Mahlgemeinschaft begründet, und jetzt, gerade jetzt,
wollte Er gehen. Mit Schrecken und Betrübnis vernahmen wir es. Aber vielleicht
bedeutete es auch nur, dass wir uns aufteilen sollten, und dort, wo wir hingingen,
dort sollten wir Seiner gedenken. Nichts desto trotz würden wir immer wieder zu
Ihm zurückkehren können, würden uns von Ihm aufgefangen und behütet fühlen
dürfen. Ja, das musste es sein, bloß eine Trennung auf Zeit, kurz, mit der
Möglichkeit wieder zu kommen. Es konnte, es durfte nicht anders sein. Aber
dann, Er erhob sich, legte Sein Gewand ab und wusch uns die Füße. Er! Wir
wollten es zunächst gar nicht zulassen. Wie sollten wir es zulassen können,
dass Er uns die Füße wusch, der uns doch in allem voran gegangen war, der uns
errettete aus der Namenlosigkeit in die Namhaftigkeit, der uns die Lebendigkeit
des Lebens eröffnete, uns uns wiedergewinnen ließ. Das alles hatte Er für uns
getan, hatte uns teilhaben lassen am umfassenden Wort, das die Welt umfasst und
durchdringt und eröffnet. Alles ward neu, wie als wären wir aus einer langen,
dunklen Nacht erwacht, wovon wir noch nicht einmal wussten, dass wir darin
gewesen waren, denn es war so selbstverständlich, auch unsere Blindheit, von
der Er uns befreite, so dass wir sehend wurden, auch unsere Verbohrtheit, die
er lockerte, so dass wir uns öffnen konnten, unsere Verständnislosigkeit, von
der Er uns erlöste, so dass wir zu Annehmenden wurden. All das, und noch vieles
mehr, und dennoch ließ Er sich vor uns auf die Knie hinab, ja, Er kniete vor
uns und wusch uns den Dreck von den Füßen. Er verfuhr wie ein Bedienter, und
als wären wir die Herren. Dabei war es doch umgekehrt. Doch bei Ihm zählten die
Maßstäbe der normalen Welt nicht. Er erniedrigte sich nicht in Seinem Dienst,
sondern Er wuchs. Wie sonst hätte Er uns seine Liebe mehr beweisen können? So
war auch dies Auftrag. Lasst Euch auf die Knie, und ihr werdet das Leid
erkennen und das Elend, so dass ihr Euch einbringen könnt, helfend und
beistehend. Nach Seinem Beispiel sollten wir es hinaustragen – und doch verstanden
wir immer noch nicht wirklich. Wir waren noch nicht so weit es tragen zu
können.
[1] Joh. 13,3-5. Aus: Die Bibel in der
Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. Hg. von Interdiözesanen
Katechetischen Fonds. Verlag Österreichisches Katholisches Bibelwerk Korneuburg
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