0905 Und es funktioniert immer noch


Und es funktioniert immer noch


Ich erwache, trotzdem ich die letzte Nacht kaum geschlafen hatte. Botmäßiges und Unbotmäßiges hatte sich in meine Träume geschlichen und hatte sie unruhig werden lassen, so wie meinen Schlaf, wobei ich dem Unbotmäßigen nicht unbedingt den größeren Anteil zusprechen kann, wenn ich aufschreckte. Es verteilte sich gleichmäßig. Gegen Träume kann man nichts machen. Natürlich stimmt das nicht. Man kann. Nur ich nicht, weil ich nicht die Kraft habe. Ich verbrauche sie dafür einschlafen zu können, und dann bleibt nichts mehr übrig. Gestern, da hatte ich noch gut geschlafen. Ich versuche die Gedanken wieder zu finden, die mich gestern schlafen ließen und vorgestern und den Tag davor. Es gelingt mir sogar sie wiederzufinden, und kaum habe ich mich darin eingerichtet, machen sie schon wieder jenen Platz, die mich nicht einschlafen lassen. Unbarmherzig schreitet die Nacht voran.

Ich werde morgen nicht aufstehen können, gemahne ich mich, und ich muss doch aufstehen und den Tag verbringen und leben und Dinge tun, all die Dinge, die getan werden müssen und denen ich mich nicht entziehe, denn selbst wenn ich es täte, so bliebe noch immer der Tag, den es zu verbringen gilt. Es verbringt sich besser, wenn man weiß was man muss. Es beschäftigt den Körper und zwingt mich sogar zur Konzentration, denn es genügt, wenn das Unausweichliche wiederkommt, am Abend, in der Nacht. Doch ich höre nicht auf mich und nicht auf mich in den Gedanken dort hinzubewegen. Es bringt auch nichts, weil ich alleine nicht weiterkomme. Es geht ja nicht nur um mich, auch wenn ich mich gänzlich verlassen fühle, könnte doch noch immer sein, dass es nicht endgültig ist. Ich versuche mich an diese Hoffnung zu halten, doch ich rutsche ab daran wie an einem nassen Strohhalm. Der heißt so, auch wenn er aus Plastik ist und wenn das Plastik nass ist, dann rutsche ich daran ab und versinke wieder. Dass ich es je geschafft haben sollte mich daran festzuhalten, ja gar daran emporzuklettern, das verwundert mich immer wieder aufs Neue, doch da war er nicht nass. Nehme ich an. Oder ist es wirklich die Freude und das Glück, das Flügel verleiht. Alles andere funktioniert nicht. Das habe ich auch nie geglaubt. Und plötzlich weiß ich es, es wird funktionieren, so wie es immer funktioniert hat, selbst im größten Schmerz. Ich werde erwachen und mich aus dem Bett erheben. Mein Blick fällt auf meine Füße. Tatsächlich, sie stehen. Vorsichtig erhebe ich mich ganz, und seltsamer Weise tragen mich meine Füße auch, wohl auch die Beine. Kein Einknicken. Ich stehe, und dann, ganz von selbst, setze ich einen Fuß vor den anderen, auch das geht, ganz von selbst, bringen mich dorthin, wo ich hin will oder auch muss. Es ist einerlei, dieses Mal. Ich sehe mir zu, wenn meine Hände arbeiten. Auch sie verharren in Bewegung und in Gleichmut. Es funktioniert, und fast schon glaube ich, dass es ein Tag ist wie jeder andere, doch dann finde ich ihn wieder, den Schmerz, und ich sehe mich im Wasser paddeln, ohne Halt, denn der Strohhalm ist mittlerweile nicht nur nass, er ist auch eingeknickt. Das Wasser, in dem ich schwimme und worin ich verzweifelt Halt suche, ist wie ein Glas, umgeben von glitschigen Wänden. Es gibt nichts mehr woran ich mich festhalten könnte. Alles ist untergegangen. Noch kämpfe ich an, gegen den Untergang, doch ich wünschte, dass meine Kräfte mich endgültig verlassen. Dann werde ich noch eine Zeitlang auf der Oberfläche treiben, doch auch das geht nicht ewig, nur bis ich das Bewegen gänzlich lassen kann und untergehe. Dann wird alles still sein. Vielleicht ist es gut. Vielleicht aber auch schmeißt Du mir ein Holzstück zu an dem ich mich festhalten kann. Ich vermag nicht zu sagen, ob das gut oder schlecht ist. Es könnte sein, dass es das Leiden nur verzögert, oder auch nicht. Für jetzt funktioniert es immer noch.

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