Wie die Zeit vergeht ...
Du
sitzt auf der Terrasse. Die Arbeit für heute ist getan, denkst Du. All die
großen und kleinen Dinge, die Du zu erledigen hattest. Manches ist wohl auch
liegengeblieben, aber das ist nicht so dringend. Das kannst Du auch noch morgen
erledigen, oder vielleicht doch noch heute, wenn Du Dich dazu aufraffen
könntest. Du beschließt diese kurze Zeit einfach still sitzen zu bleiben. Es
ist ruhig um Dich. Alle schlafen schon, außer Dir. Du nutzt die Nachtstunden
gerne um zu arbeiten, denn dann entziehst Du niemandem Deine Aufmerksamkeit und
Deine Zuwendung. Nur da hast Du kein schlechtes Gewissen, dass Du
irgendjemanden vernachlässigen könntest. Die Nacht gehört Dir, und Du nutzt
sie. Doch jetzt, jetzt sitzt Du einfach nur da und tust nichts. Eigentlich
solltest Du schlafen gehen, wenn Du schon nichts arbeitest, oder Dir zumindest
ein Buch schnappen und lesen. Wie viel Du Dir doch immer vornimmst, damit auch
ja jede Minute des Tages ausgefüllt ist, keine Zeit für Ruhe oder beunruhigende
Gedanken. Du gehst nicht schlafen und nimmst auch kein Buch zur Hand. Du bist
zu müde um aufzustehen, zu müde um irgendetwas zu tun, außer hier zu sitzen und
in den Nachthimmel zu blicken. Und es bohrt in Dir, dass Du einfach nichts
tust, einfach nichts. Nicht einmal diese wenigen Minuten kannst Du bleiben ohne
Dir darüber Gedanken zu machen, dass Du tust was Du tust. Du hast zwar keine
Kraft mehr, aber Du denkst, dass Du Dich zwingen müsstest weiterzumachen, immer
weiter. Dann würdest Du auch schlafen können, sofort einschlafen und tief und
traumlos schlafen. Du willst Deine Gedanken nicht hören, und Dich nicht
ablenken lassen. Absurd wie viel Energie Du darauf verschwendest Dich selbst an
die Kantare zu nehmen. Dann ist er da, plötzlich da, ungebeten und ungerufen,
dieser Traum, den Du vor Jahren träumtest, als das Leben noch offen und
undefiniert vor Dir lag. Eines Tages, warst Du damals überzeugt, eines Tages
würdest Du ihn war machen, würdest Du ausziehen und einfach diesen Traum
verwirklichen, der keinerlei materielle Rechtfertigung hatte. Nichts weiter war
es als ihr eigenes Glück. Aber zuerst musstest Du Dir etwas aufbauen, Dich
finanziell absichern, und dann, dann würdest Du Deinen Traum wieder
herauskramen und ihn verwirklichen. Das Leben stellt nun mal gewisse Ansprüche.
Damals warst Du wohlgemut. Schließlich hattest Du Dein ganzes Leben vor Dir,
und das war unendlich lang. Und dann vergingen die Jahre, eines ums andere. Ab
und zu dachtest Du noch an diesen Traum zurück, aber es passte nicht. Hattest
Du eine Stufe genommen, so waren da automatisch zwei andere, die Du auch noch
hinaufsteigen musstest, und wenn diese erklommen werden würden, dann würde es
endlich so weit sein, doch nach diesen weiteren zwei Stufen waren da wieder
zwei weitere. Schließlich hattest Du Verantwortung übernommen, und das konntest
Du nicht einfach abschütteln. Doch jetzt, da Du hier sitzt, jetzt steht er vor
Dir, Dein Traum und fordert Dich ein. Du willst nicht, nicht an ihn denken,
doch Du kannst ihm nicht ausweichen. Mahnend steht er vor Dir und fordert Dich
ein. Du windest Dich, versuchst Dich an den üblichen Ausreden, doch hier
klingen sie plötzlich so schal und leer. Bis jetzt hast Du Dir selbst
abgenommen was Du sagtest, doch jetzt klappt es nicht mehr. Es hört sich so
schal und leer an, so wie sich Dein Leben anfühlt. Immer wieder machst Du Dir
etwas vor, aber Du kannst Dich nicht selbst belügen, nicht für immer. Du spürst
wie Deine Kräfte nachlassen, mit den Jahren immer weniger wird. Du spürst wie
Dir Dein Leben immer mehr entgleitet, bis es eines Tages völlig fremdbestimmt
sein wird. Doch Du sitzt nur hier und tust nichts, einfach nichts. Verschieben
und aussitzen, nicht nachdenken und nicht hinterfragen, das war die Device in
all den Jahren. Trotzdem gingst Du aufrecht und lächelnd durchs Leben, Tag um
Tag, Jahr um Jahr, und die Zeit vergeht ...
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