Ich
halte mir einen Künstler
Dr. Karl Wackwitz, seines Zeichens Generaldirektor eines der
einflussreichsten und größten Unternehmens unseres Landes, dessen Namen ich
hier nicht nennen will, Harvard Absolvent und leidenschaftlicher Verfechter des
freien Marktes, war beständig auf der Suche nach etwas, das es ihm ermöglichte
sich von der Masse abzusetzen. Er hatte einen Hang zum Elitären und
Extravaganten, nicht weil er es wirklich mochte, sondern weil es der
eleganteste Weg war zu zeigen was er besaß. Wie bei so vielen hatte dies damit
begonnen, dass er Golf spielte. Danach kam das Jagdwesen und letztlich die
Yacht an der Cote d’Azur. „Jetzt machen das Kreti und Pleti auch schon“,
pflegte er zu sagen, wenn der Zustrom zu einst Elitärem zu groß wurde. Das war
der Moment, in dem er sich abwandte und was Neues suchte, und jetzt meinte er
das Ultimative gefunden zu haben. Sein Sekretär ließ mir ausrichten, er wolle ein
Interview geben und im Zuge dessen seine Neuerwerbung der Öffentlichkeit
präsentieren. Diese Gelegenheit wollte ich mir nicht entgehen lassen. Zehn
Minuten später stand ich in der Eingangshalle seiner Villa und wurde
diensteifrig von seinem Butler ins Arbeitszimmer geleitet, sehr gespannt darauf
was mir wohl präsentiert werden würde.
„Sie wissen“, begann er ohne Umschweife und ohne auch nur einen
Moment an Begrüßungsformeln oder ähnliche Ausdrücke dessen zu verschwenden, was
man wohl weitläufig als „Gutes Benehmen“ betiteln würde, „ich bin immer auf der
Suche nach etwas Einzigartigem, dem Besonderen. Bisher wurde alles nachgeäfft,
was ich begonnen hatte, so dass ich mich wieder zurückziehen musste, doch jetzt
habe ich es gefunden. Wenn Sie mir in den Zoo folgen wollen.“
Damit stand er auf und ging eiligen Schrittes in den hinteren Teil
der Villa. Zwei Gedanken beschäftigten mich. Erstens, dass er mir doch
wenigstens einen Kaffee hätte anbieten können und zweitens, dass es zwar maßlos
dekadent war sich einen eigenen Zoo zu halten, aber deswegen noch lange nicht
einzigartig. Wir betraten einen großen hellen Raum, der vom Duft exotischer
Pflanzen erfüllt war. Neugierig suchte ich diesen nach Tieren ab, doch ich fand
keinen. Stattdessen sah ich einen Maler, der sich an einem mannshohen Gemälde,
das vor ihm auf dem Boden lag, austobte. Des weiteren sah ich einen Bildhauer
und einen der offensichtlich schriftstellerisch tätig war. Nachdem ich die
Gelegenheit gehabt hatte mich umzusehen, kam die unausweichliche Frage.
„Was sagen Sie zu meinen Neuerwerbungen?“, lautete sie aus dem
Munde Dr. Karl Wackwitz.
„Beeindruckend“, entgegnete ich, während ich versuchte meine
Verwirrung so gut wie möglich zu verstecken, in der Hoffnung aus seinem Munde
zu erfahren worum es eigentlich ging.
„Dieser hier“, und damit deutete er auf den Maler, „ist erst seit
gestern hier, aber er scheint sich recht gut eingelebt zu haben. Den vorigen
musste ich leider wieder entfernen, denn er brachte zu viel Unruhe herein.“
„Sie halten sich also Künstler“, fiel es mir plötzlich wie
Schuppen von den Augen.
„Ja natürlich. Was dachten Sie denn? Bilder oder Skulpturen sammeln, das
kann jeder, aber ich habe sie hier, bei mir, kann sie studieren und präsentieren,
und ganz nebenbei habe ich immer exklusive Werke. Eigentlich sind sie ja recht
pflegeleicht, wenn man einmal weiß wie sie zu halten sind und wie sie sich
ernähren. Ab und zu ein Leckerli und sie fressen einem aus der Hand, doch vor
allem, das wird mir so schnell keiner nachmachen“, bemerkte Dr. Karl Wackwitz,
und ich meinte einen kleinen Anflug von Melancholie in seinen Augen zu finden,
als nun der Schriftsteller auf ihn zugelaufen kam und ihm die Hand ableckte
1 Kommentar:
Da frage ich mich doch, ob ich dies als letzten Ausweg tun würde, mich halten zu lassen, geschützt und behütet, in dieser schönen Sicherheit ... Aber dieses Handablecken ...
Kommentar veröffentlichen