1501 Der Pinselmacher (Teil 3):


Die Einlösung einer Sehnsucht


Die kommenden fünf Tage waren die längsten und die kürzesten meines Lebens zugleich. Die längsten, weil ich es kaum erwarten konnte sie, deren Anblick und Stimme, mich so sehr in ihren Bann gezogen hatte, dass ich an nichts anderes mehr denken konnte. Die kürzesten, weil ich meine ganze Kunst daran verwandte den perfekten Pinsel zu kreieren. Ich arbeitete bis spät in die Nacht und saß im Morgengrauen schon wieder in der Werkstatt, und als ich am Morgen des fünften Tages den Pinsel in Händen hielt, wusste ich, er war perfekt.

Am frühen Nachmittag wurde ich in der Villa des Malers vorstellig, doch wie groß war meine Enttäuschung, als ich Felicitas alleine antraf. Offenbar wollte sie mich nicht wiedersehen. ‚Zeigen Sie her was Sie mir anzubieten haben.’, forderte mich Felicitas auf. ‚Natürlich.’, hörte ich mich sagen, und reichte ihr den Pinsel. ‚Sie haben nicht zu viel versprochen.’, musste selbst Felicitas zugeben, ‚Dieser Pinsel umschmeichelt meine Haut. Ich nehme ihn, und machen Sie mir noch fünf weitere.’ ‚Sehr gerne.’, antwortete ich, während mein Blick immer noch den Raum absuchte, als hoffte ich darauf, dass sie doch da war, und ich hätte sie bloß übersehen. Fieberhaft suchte ich einen Grund noch zu bleiben, als mir die erlösende Idee kam: ‚Darf ich Ihnen eine Haarbürste zeigen, die Ihr Haar ebenso umschmeichelt wie der Pinsel Ihre Haut?’ ‚Wenn Sie schon mal da sind.’, entgegnete Felicitas achselzuckend. So packte ich eine Haarbürste aus und reichte sie ihr. Kurz sah ich ihr zu wie sie die Bürste ebenso wie ihr Haar malträtierte, bevor ich mich entschloss einzugreifen. ‚Würden Sie mir gestatten, dass ich Ihr Haar bürste?’, fragte ich nervös. ‚Von mir aus.’, antwortete sie kurz und reichte mir die Bürste. Mit langen, geraden Strichen bürstete ich ihr Haar und Felicitas zeigte sich sichtlich angetan, forderte mich gar auf mich zu ihr zu setzen und nicht aufzuhören sie ihr Haar zu bürsten.

In dem Moment ging die Türe auf, und sie trat herein, sie, der all meine Gedanken und all mein Sehnen gehörte. Als ich sie erkannte, sprang ich rasch auf, als hätte sie uns bei etwas Unschicklichem ertappt. ‚Ach, da bist Du ja, Maria.’, begrüßte Felicitas ihre Freundin, und ich kannte nun endlich, endlich ihren Namen. ‚Sieh nur wer da ist! Und weißt Du was? Er hat tatsächlich Wort gehalten. Der Pinsel ist großartig, und nebenbei, die Haarbürste auch. Ich hatte gerade eine großartige Idee. Wir haben doch morgen Abend unseren Cocktailabend. Was hältst Du davon, wenn wir unsere Busenfeindinnen, meinte natürlich   -freundinnen ein wenig neidisch machen, und seine Arbeit vorführen.’ ‚Wenn der Herr Fent einverstanden ist bei Deinen Spielchen mitzuspielen, soll es mir recht sein.’, antwortete Maria knapp. Und wie ich einverstanden war, bedeutete es doch, dass ich sie bereits morgen wiedersehen würde. ‚Mit dem größten Vergnügen.’, antwortete ich deshalb rasch, aus Angst, Felicitas könnte es sich nochmals anders überlegen. Morgen, schon morgen würde ich sie wieder sehen. Dieser Gedanke begleitete und beflügelte mich.

Pünktlich zur angegebenen Stunde fand ich mich am nächsten Tag wieder in der Villa ein. Der große Saal, in dem ich bereits am Vortag empfangen wurde, war nun von ungefähr fünfzehn Mädchen bevölkert. Man spürte den heftigen Konkurrenzkampf in jeder Pore. Doch ich, ich hatte nur Augen für Maria. Für mich war sie die Schönste und der einzige Grund meines Hierseins. Felicitas empfing mich überschwänglich und präsentierte mich ihren Gästen wie ihre größte Trophäe. ‚Jetzt wollen wir doch mal Ihre Meisterstücke sehen.’, tönte mir eine piepsige Stimme entgegen. Sie gehörte zu einem vollbusigen, vollmundigen Mädchen, das sich nun hervor zu tun suchte. ‚Sei nicht so ungeduldig.’, wies Felicitas sie zurecht, ‚Zuerst wollen wir unserem Gast etwas zu trinken anbieten. Außerdem wollen wir endlich das förmliche Sie weglassen.’ Also wurde mir ein Cocktail in die Hand gedrückt und ich wurde zu trinken genötigt. Sofort spürte ich wie mir der Alkohol, dessen ich nicht gewohnt war, zu Kopf stieg. Mir wurde warm, aber ich fühlte mich auch leichter und ungehemmter. ‚Franz’, so fuhr nun Felicitas fort, ‚ist ein wahrer Künstler auf seinem Gebiet.’ ‚Können wir jetzt endlich etwas sehen?’, ließ sich die piepsige Stimme wiederum vernehmen. So präsentierte ich meine Musterstücke und hatte auch die Gelegenheit ihre richtige Handhabung zu demonstrieren. Dann trat ich zurück und überließ die Stücke der Horde Mädchen. Vorläufig schien ich nicht mehr interessant zu sein, und nachdem mir mittlerweile vom Alkohol sehr heiß geworden war, öffnete ich eine der vielen Glastüren und trat hinaus auf die Terrasse, atmete tief durch und sah hinauf zu den Sternen.

‚Eine wunderschöne Frühlingsnacht.’, hörte ich eine wohlbekannte, sanfte Stimme hinter mir. Leise war Maria an mich herangetreten. ‚Doch mit Deiner Schönheit kann er sich nicht messen.’, sagte ich voll Überzeugung und doch unüberlegt.’ Sofort biss ich mir auf die Zunge, doch es war gesagt und nicht mehr rückgängig zu machen. Doch Maria lächelte mich an, und indem sie sich bei mir unterhakte, mich mitnahm zu einem Spaziergang durch den weitläufigen Garten, forderte sie mich auf ihr von mir zu erzählen. Ich folgte dieser Aufforderung, folgte ihr in einer Art, wie ich es noch nie zuvor getan hatte. Sie war die erste, der ich mich anvertrauen durfte, und sie war wohl auch die erste, der ich mich anvertrauen wollte. Dieses Erleben mit ihr war das schönste und intensivste meines Lebens. Ich wünschte, diese Minuten würden bleiben bis in alle Ewigkeit. 

2 Kommentare:

toto hat gesagt…

das romantische an einer flaschenpost
ist das was drinsteht
das fatale
sie ist nicht adressiert
bleibt also eine verirrte flasche
ein kleiner tip
wie die zustellung doch noch klappen könnte
http://www.youtube.com/watch?v=MyAxugLnejU

Unknown hat gesagt…

Und wenn man keine Adresse hat
Wenn man nicht weiß wohin es gehen soll
Dann kann man es geschehen lassen
Und vertrauen, dass die Nachricht ihren Weg findet.